UseCase: Rauchsimulation anhand eines digitalen Tunnelmodells​

Ausgangslage:

Die Planung von Tunnelanlagen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit eine große Herausforderung. Diese ist infolge der höheren Unfallhäufigkeit in Straßentunneln als in Eisenbahntunneln größer. Die Lüftungsanlage von Straßentunneln wird nach Länge, Verkehrsaufkommen und Verkehrsführung entsprechend Richtlinie 2004/54/EG (2004) und RVS 09.02.31 (2014) ausgelegt und muss die Fälle Normalbetrieb und Brandfall abdecken. Die Sicherstellung der Entrauchung erfolgt in der Regel anhand von Richtlinien und Erkenntnissen aus Versuchen, wobei jedoch aufgrund stark unterschiedlicher Geometrien und eingesetzter Technik eine große Unsicherheit bestehen bleibt. Außerdem entstehen z.B. durch elektrische Fahrzeuge neue Randbedingungen, welche in den Richtlinien bisher nicht berücksichtigt sind.

Problemstellung:

Eine höhere Planungssicherheit ist anhand von detaillierten Simulationen möglich, hierfür wird jedoch ein detailliertes digitales Modell mit einer Vielzahl von Randbedingungen und unterschiedlichsten Daten benötigt. Eine Simulation anhand eines solchen detaillierten digitalen Modells ist essentiell, um Aussagen zu verschiedenen Aspekten wie z.B. Rauchausbreitung, Temperaturen treffen zu können und eine effiziente Planung und sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Ziel:

Bereits während der Planung soll eine sichere Entrauchung des Tunnels sichergestellt, optimiert und die Übereinstimmung einer Simulation mit dem tatsächlichen Brandverhalten verbessert werden. Es sollen notwendige Maßnahmen im Brandfall und eine notwendige Nachrüstung für zukünftige Szenarien mit abweichenden Randbedingungen identifiziert werden.

Mit Hilfe eines detaillierten digitalen Modells des Tunnels sollen bereits während der Planung oder im Betrieb Brände simuliert werden können.

Durchführung:

Aufbereitung der Tunnelgeometrie aus einer Punktwolke

Aus einer Punktenwolke eines Laserscans eines Tunnels wird die Oberfläche des Tunnels rekonstruiert. Hierfür wurde die open source Software MeshLab[1] verwendet.

[1] Cignoni, Paolo and Callieri, Marco and Corsini, Massimiliano and Dellepiane, Matteo and Ganovelli, Fabio and Ranzuglia, Guido, “MeshLab: an Open-Source Mesh Processing Tool”, in Proc. of Eurographics Italian Chapter Conference, Aire-la-Ville: Eurographics Assoc, ISBN 978-3-905673-68-5, DOI: 10.2312/LocalChapterEvents/ItalChap/ItalianChapConf2008/129-136, 2008.

Ausschnitt der mittels Laserscann erstellten Punktwolke des Tunnels

Bereinigung der Geometrie

Nach dem ersten Erzeugen der Oberflächen sind Fragmente von Objekten im Tunnel, Öffnungen sowie Messfehler erkennbar. Die Geometrie wurde daher mittels verschiedener Filter und Methoden in MeshLab, Catia[1] und FreeCAD[2] bereinigt.

[1] Konstruktion | CATIA – Dassault Systèmes [online]. 26 April 2021 [Zugriff am: 26. April 2021]. Verfügbar unter: https://www.3ds.com/de/produkte-und-services/catia/

[2] FreeCAD: Your own 3D parametric modeler [online]. 26 April 2021 [Zugriff am: 26. April 2021]. Verfügbar unter: https://www.freecadweb.org/

Aus der Punktewolke mit MeshLab generierte Oberflächen, wobei die Geometrie-Fragmente von Objekten im Tunnel und Messfehler deutlich erkennbar sind.

Geometrie für CFD-Simulation

Für die CFD-Simulation wird eine „wasserdichte“ Geometrie benötigt, wofür zusätzlich die Portale sowie eine Fortführung der Tunnelgeometrie in Catia modelliert wurden. Außerdem wurden die Lüfter, das Fahrzeug und Sensoren modelliert und in dem Modell positioniert.

„Wasserdichte“ Geometrie für die CFD-Simulation mit Portalen und Fortführung der Tunnelgeometrie in ParaView

Positionierung der Ventilatoren im Tunnel in CATIA

 

Positionierung des Fahrzeugs und der Sensoren im Tunnel für die CFD-Simulation in dem an der TU Wien entwickelten Tool für CFD-Simulationen.

Funktionsflächen und Randbedingungen

Für die Simulation werden Randbedingungen benötigt, welche auf die entsprechenden Flächen aufgeprägt werden. Hierfür wurden an den Portalen „openings“ als Inlet/Outlet mit dem Umgebungsdruck von 101300 Pa und an den Ventilatoren ein Differenzdruck von 480 Pa definiert.

Randbedingungen für die CFD-Simulation: Inlet/Outlet mit Umgebungsdruck an den Portalen, Differenzdruck von 480 Pa an den Ventilaltoren

Vernetzung

Die Vernetzung der Tunnelgeometrie wurde mit Gmsh[1] durchgeführt. Das Netz besteht aus 983.527 Knoten und 3.023.026 Elementen.

[1] GEUZAINE, C. und J.-F. REMACLE. Gmsh: A 3-D finite element mesh generator with built-in pre- and post-processing facilities [online]. International Journal for Numerical Methods in Engineering, 2009, 79(11), 1309-1331. ISSN 00295981. doi:10.1002/nme.2579

Vernetzung der Tunnelgeometrie. Das Netz wurde mit der open source Software Gmsh erstelt und die Visualisierung wurde mit der der open source Software ParaView erzeugt.

Simulation stationärer Zustand

Es wurde eine Simulation der Strömung im Tunnel mit laufenden Ventilatoren im stationären Zustand durchgeführt. Die Simulation wurde mit einer Software der TU-Wien basierend auf openFOAM[1] durchgeführt. Die Auswertung mittels ParaView ergibt eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit im Querschnitt der Messung von 1,13 m/s und 1,09 m/s.

[1] OpenFOAM. OpenFOAM | The OpenFOAM Foundation [online]. 16 März 2021 [Zugriff am: 26. April 2021]. Verfügbar unter: https://openfoam.org/

Auswertung der Stromlinien im stationären Betrieb mit zwei Ventilatoren mit ParaView. Die Stromlinien sind mit der Strömungsgeschwindigkeit in m/s eingefärbt. Erkennbar ist eine relativ homogene Strömung in dem Bereich vor und hinter den Ventilatoren, unterhalb der Ventilatoren sind Verwirbelungen und eine Rückströmung zu beobachten.

Vergleich mit Messdaten

Während eines Brandversuchs wurden Strömungsgeschwindigkeiten in zwei Querschnitten gemessen. Aufgrund des Messrauschens und der Überlagerung mit z.B. durch Wind induzierter Strömung ist die durch die Ventilatoren erzeugte Strömungsgeschwindigkeit nicht eindeutig auswertbar. Näherungsweise kann die durch die Ventilatoren erzeugten Strömung durch eine Subtraktion der durch Wind induzierten Strömung von den Messwerten ausgewertet werden. Im Zeitraum bis 14:00 Uhr vor dem Einschalten der Ventilatoren liegt die Strömungsgeschwindigkeit bei ca. 0.5 m/s, zum Zeitpunkt des Ausschaltens der Lüfter bei ca. 1.5 m/s. Wird eine durch Wind induzierte Strömungsgeschwindigkeit von 0,5 m/s angenommen und diese von der Strömungsgeschwindigkeit bei dem Betrieb mit Ventilatoren abgezogen, so ergibt sich näherungsweise eine Strömungsgeschwindigkeit von ca. 1,0 m/s, was mit dem Ergebnis der Simulation gut übereinstimmt. Für die Validierung der Simulation müssen jedoch genauere Messungen, insbesondere der Randbedingungen, durchgeführt und die Simulationsergebnisse mit diesen Werten verglichen werden.

[1] OpenFOAM. OpenFOAM | The OpenFOAM Foundation [online]. 16 März 2021 [Zugriff am: 26. April 2021]. Verfügbar unter: https://openfoam.org/

Gemessene Strömungsgeschwindigkeiten im Tunnel während eines Brandversuches. Die Ventilatoren wurden um ca. 14:00 – 16:30 Uhr eingeschaltet.